Kleid Memademittwoch

Das Kleid ohne Namen

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Normalerweise berichte ich auf meinem Blog über Schnitte, die ich genäht habe. Ich gebe den Namen des Schnittes an, die Designerin oder eine andere Quelle, und natürlich den verwendeten Stoff. Das ist eigentlich recht banal, andererseits ist es genau das, was ich an anderen Nähblogs liebe. So schön, über eine authentische Erfahrung mit einem Schnitt zu lesen, so schön, verschiedene Versionen eines Schnittes aus unterschiedlichen Stoffen und an unterschiedlichen Figuren zu sehen. Und wenn dann noch über Probleme beim Nähen berichtet wird, die ich dann beim eventuellen Nachnähen berücksichtigen kann, hat sich mir wieder einmal der Sinn eines „banalen “ Nähblogs erschlossen.

So ist meine Erfahrung, und offensichtlich auch die Erfahrung meiner Leserinnen, denn sonst würde der Blog ja gar nicht gelesen. Aber bei diesem Blogbeitrag muß ich das bewährte Muster leider durchbrechen, denn- ich weiß nicht, wer diesen Schnitt entworfen hat und wo er veröffentlicht wurde.

Die Geschichte dieses Kleides begann im Nähgeschäft in der südpfälzischen Kleinstadt, in der ich jetzt lebe. Ja, es gibt hier ein Geschäft für Stoffe und Nähzutaten, und ich bin sehr glücklich, daß dieses Geschäft existiert. Vor kurzem stand die Geschäftsaufgabe im Raum, zum Glück fand sich eine neue Inhaberin, die den Laden weiterführt. Ich kaufe dort oft und gerne ein, meistens aber Garne, Reißverschlüsse und andere Kurzwaren, meine Stoffe bestelle ich. Auch dieser Stoff meines neuen Sommerkleides war eine Internetbestellung, der Stoff ist eine Viscose von Atelier Jupe, gibt es bei vielen Händlern zu kaufen.

In besagtem Nähgeschäft steht am Eingang eine Schneiderpuppe, auf der oft genähte Kleidungsstücke drapiert sind. Bisher hatte ich diese Teile immer nur mit einem flüchtigen Blick gestreift. Über Geschmack läßt sich bekanntermaßen nicht streiten, und die dort ausgestellten Kleidungsstücke trafen einfach nicht meinen Geschmack. Aber diesmal hing da etwas anderes. Ein Kleid, genäht aus einem Double Gauze in hellblau mit einem sehr hübschen Blümchenmuster. Der Stoff gefiel mir, und der Schnitt des Kleides- ich kehrte um von meinem eigentlich zielstrebigen Weg zum Reißverschlußregal und betrachtete den Schnitt. Der war hübsch! Ein ärmelloses Oberteil, in der vorneren Mitte geknöpft mit stoffbezogenen Knöpfen und Schlingenverschluss. Die Taille verlief recht hoch, daran war ein weiter Rock angesetzt mit drei Falten je Seite. Insgesamt wirkte das ganze so schön und proportioniert auf mich, daß ich die Verkäuferin nach dem Schnitt und dem Stoff fragte. Den Stoff gab es nicht mehr, und das Kleid hatte eine Kollegin genäht…nach einigem Rumfragen und Telefonieren hatte ich dann die gewünschten Auskünfte. Die Kollegin hatte das Kleid zwar genäht, wußte aber nicht mehr, wo der Schnitt herkam. Eventuell aus einem Nähheft, oder einem Buch? Sie hatte vor kurzem ihr Nähzimmer aufgeräumt und ausgemistet…kennen wir alle, diese Geschichten,manche Schnitte lassen sich dann nicht mehr auffinden.

Aber sie bot mir an, mir den Schnitt gegen einen geringen Obulus abzupausen, sie hatte ihn in „Größe 38“. Das Angebot nahm ich gerne an, und diese Größe 38 schien mir auch recht passend, zumal der Schnitt nicht sehr paßformsensibel aussah.

Wir wissen natürlich alles, dasß diese „Größe 38“ nicht sehr viel aussagt. Wenn es ein französischer Schnitt wäre, wäre die 38 mir viel zu klein. Ich habe dann vom Oberteil ein Nesselmodell genäht und erstmal einiges an Weite rausgenommen und weitere Abnäher ergänzt. Die Armlöcher waren viel zu groß, da hatte ich noch einen Abnäher eingefügt. Den hätte ich wunderbar in den vorhandenen Brustabnäher drehen können, auf diese Idee kam ich aber erst nach dem Nähen. Im Rückenteil habe ich am Hals auch einen Abnäher ergänzt, macht sich bei meinem Rundrücken immer besser. Und als das Oberteil eigentlich schon fertig war und die Armausschnitte mit Schrägband versäubert waren, habe ich das ganze nochmal abgetrennt, nochmals seitlich einen Zentimeter enger genäht und den Schulterpunkt weiter nach innen gesetzt. Diese ganzen Änderungen klingen jetzt vielleicht kompliziert, aber letztendlich glaube ich , daß der Schnitt einfach eine Größe kleiner hätte sein müssen. Deshalb kam mir der Gedanke, ob es sich um einen Knip-Schnitt handelt? Nach meiner Erfahrung mit der Knip sind diese Schnitte immer sehr großzügig, und bei der Knip paßt mir 36 gut. Zur Knip würde auch die eher kurzgefaßte Anleitung passen, die mir mit kopiert wurde.Wahrscheinlich werde ich diese Frage niemals klären können, und so bleibt es für mich das Kleid ohne Namen. In meiner internen Buchführung läuft es als „Stoffladenkleid“, so habe ich jedenfalls den Umschlag mit dem Schnitt beschriftet.

Der Blickfang im Vorderteil ist der Schlingenverschluss mit den stoffbezogenen Knöpfen. Die Schlingen sind einfach genäht, wenn man denn mal den dafür erforderlichen Stoffschlauch gewendet hat. Ich denke, ohne Hilfsmittel geht es nicht, ich verwende diesen Haken.

Zum Beziehen von Knöpfen gibt es fertige Sets, da habe ich nur die von Prym gefunden. Ich habe mit den Prym-Produkten bisher nur gute Erfahrungen gemacht, habe Jeansknöpfe, Druckknöpfe und Ösen an alle möglichen Stellen eingeschlagen und kam mit der Technik immer gut zurecht. Deshalb hatte ich hier auch keine besondere Challenge gesehen und mir die beziehbaren Knöpfe in zwei Größen schicken lassen. Nein, die waren im örtlichen Stoffgeschäft dann doch nicht vorrätig, ist auch schon etwas speziell.

Meine gewählten beziehbaren Knöpfe bestehen aus einem Metallrohling, der zwei Teile hat. Der untere hat einen Zackenrand, mit Hilfe einer Silikonform wird ein rundes Stoffstück darüber gezogen und dann der obere Teil dagegen gedrückt. Das klappt eigentlich recht gut, wenn der Stoff genau mittig aufgelegt wird und den richtigen Durchmesser hat. Ich hatte zunächst die kleinere Version, 11 mm im Durchmesser, probiert. Beim ersten Versuch war der Stoff zu klein, beim zweiten wurde der Knopf nur teilweise gefasst, beim dritten verrutschte mir das ganze Konstrukt…und beim vierten merkte ich dann, daß in der Packung nur 7 Stück Knöpfe waren.

Nachdem ich schliesslich einen brauchbaren 11 mm Knopf probiert hatte, ging ich zu den größeren(15 mm) Rohlingen über, die waren schon deutlich einfacher im Handling. Drei brauchbare Knöpfe konnte ich produzieren, die Packung enthielt 6 Stück. Also nachbestellen, zum Glück kam das Set von einem Onlineshop mit kurzer Lieferzeit. Meine Lernkurve ging steil nach oben- vom nächsten 6-er Pack konnte ich vier Knöpfe produzieren, das war dann genug für meine 6-Knopf- Knopfleiste und einen Reserveknopf. Interne Notiz an mich: falls ich nochmals ein Kleidungsstück mit selbst bezogenen Knöpfen plane, von vornherein ausreichend Rohlinge bestellen!

Ansonsten war das Nähen natürlich unproblematisch, der Schnitt ist ja unkompliziert. Schön fand ich, daß unter dem Schlingenverschluß ein Untertritt vorgesehen war, das schützt vor ungewollten Einblicken bzw vor der Angst davor. Und Taschen habe ich natürlich auch ergänzt. Sind vielleicht etwas tief angesetzt, aber erfüllen wunderbar ihren Zweck. Nahttaschen und die Anleitung dafür kamen vom Schnitt Kitty von Sewoverit– für mich eine bewährte Anleitung für Nahttaschen.

Das Kleid ist weit- soll ja auch weit sein. Bei den hohen Temperaturen, die wir in den letzten beiden Wochen hier im Süden hatten, trug es sich absolut genial, weil es so schön luftig ist.

Aber mit sehr weiten Kleidungsstücken habe ich ja manchmal meine Probleme, und so hatte ich auch probiert, mit einem Gürtel die Taille wieder herzustellen. Ich habe also einen Stoffgürtel genäht und auch eine passenden Schnalle gefunden. Über den Effekt bin ich mir noch nicht so klar. Zuhause vorm Spiegel gefiel es mir gut, aber in der freien Wildbahn verrutscht der Gürtel natürlich, da er nicht von Gürtelschlaufen gehalten wird. Und die Taille des Kleides ist eigentlich zu hoch für einen Gürtel.

Andere schöne Kleider finden sich auf dem heutigen Memademittwoch!

14 Kommentare

  1. Was für eine spannende Geschichte, deinen Stoff finde ich sehr genial. Mit dem Beziehen von Knopfrohlingen habe ich mich auch sehr schwer getan und es dann nie wieder versucht. Demnach ist der Fluss auf deinen Fotos jetzt immer der Rhein, ich dachte, es sei immer noch der Main. LG Anja

    • Barbara sagt am 5. September 2024

      Liebe Anja, ja, das ist jetzt immer am Rhein, wo wir unsere Fotos aufnehmen. Ich weiß gar nicht, ob es am Main auch so ausgedehnte Kiesstrände gibt?
      Beruhigend, daß andere anscheindend auch die gleichen Schwieriegkeiten mit dem Knopfbeziehen haben wie ich!
      LG und danke, Barbara

    • Barbara sagt am 5. September 2024

      Liebe Tina, das wäre natürlich witzig, wenn jetzt hier eine Leserin sich melden würde so mit der Aussage “ ach das ist ja der Schnitt xyz aus der ..Zeitschrift“- aber ich glaube nicht, daß es ein so bekannter Schnitt ist. Die stoffbezogenen Knöpfe mag ich auch sehr gerne, und manchmal gibt es ja auch Stoffe, zu denen man keinen passenden Knopf findet.
      Liebe Grüße und Danke, Barbara

  2. Das Kleid sieht toll aus an dir. Der Stoff und der Schnitt gefallen mir. Klar wäre es schön zu wissen, welcher Schnitt es nun ist. Aber manchmal kommt man eben auf so verschlungenen Wegen zum Schnitt, ist doch schön, daß du ihn nutzen kannst. LG Gabi

    • Barbara sagt am 5. September 2024

      Liebe Gabi, danke für Dein Lob! Und Du hast völlig recht, es ist die Hauptsache, daß ich diesen Schnitt habe und ihn so oft nähen kann, wie ich will.
      Viele Grüße, Barbara

  3. Eine schöne Hintergrundgeschichte.
    Deine Umsetzung finde ich sehr gelungen; die luftige Weite gefällt mir und die Knopfleiste im Oberteil ist ein hübsches Detail.
    Die Prymrohlinge, um Knöpfe mit Stoff zu beziehen, kenne ich und das Handling ist in der Tat tricky, aber du hast es ja gemeistert.
    Lieben Gruß von Susanne

    • Barbara sagt am 5. September 2024

      Liebe Susanne, danke für Deinen Kommentar! Das beruhigt mich ja, daß ich nicht die Einzige bin, die diese Prymknöpfe schwierig findet…
      Liebe Grüße, Barbara

  4. Dein Kleid finde ich sehr gelungen- sieht aus wie ein modernes Boho-Kleid, aber mit besserer Passform.
    Bei den Prym Knöpfen bin ich auch schon fast abgedreht. Wenn der Stoff etwas steifer ist, geht es besser, Viskose braucht Geduld- oder wie ich rausgefunden habe: aufgebügelte Einlage und einen zweifach eingereihten Rand. Dann wären die Erfolgschancen größer. Es ist ja viel Arbeit mit den Knöpfen – aber es sieht einfach gut aus.

    • Liebe Ellie, die Sache mit dem eingereihten Rand muß ich mal probieren- danke für den Tipp! Das VErstärken mit Einlage hatte ich probiert, hatte sich bei mir nicht bewährt, da die Viskose nicht sehr dünn ist, die ist eher von der stabileren Sorte.
      Vielen Dank für Deinen Kommentar und Dein Lob!
      Liebe Grüße,
      Barbara

  5. Ein Kleid, wie für dich gemacht, egal wie der Schnitt nun heißen sollte. Mir gefällt es sehr gut. Es ist luftig, aber noch zu wallend und ausladend.
    Knöpfe habe ich noch nicht selbst bezogen und deine Geschichte spricht für: du brauchst viel Geduld dafür…

    LG Miriam

    • Liebe Miriam, danke schön! Und die bezogenen Knöpfe sind die Geduld schon wert, finde ich.
      Liebe Grüße, Barbara

  6. Was für eine tolle Geschichte zum namenlosen, wunderschönen Kleid. Schnittmuster und Stoff passen so perfekt zueinander, liebs. Ich bin Team weite Kleidung, das weißt du ja und deshalb gefällst du mir ausgesprochen gut im Kleid ohne Gürtel. Die Silhouette ist perfekt und hej, im Sommer darf es unbedingt luftig und locker sein. Bezüglich der Knöpfe hast du mich sehr gut aufgeklärt, denn das habe ich noch nie probiert. Im Übrigen ist die Knopfleiste wirklich ein besonders schönes Detail.
    Ein ganz tolles Sommerkleid!
    LG Birgit

  7. Mir gefällt der Schnitt gut, und ich finde auch den Gürtel genau passend in deiner Taille sitzend! Das ist schon gut so. Danke für die – wie immer – ausführliche Beschreibung, was du wie geändert hast. Das schätze ich gerade an deinem Blog sehr. Danke auch, dass du die bezogenen Stoffknöpfe wieder in mein Bewusstsein geholt hast. Macht Lust, im nächsten Sommer so ein Kleid zu nähen. Liebe Grüße, Gabi

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