Uncategorized

Kleid Felix von Grainline Studio

Dieser Sommer hat es gut, vielleicht auch zu gut mit uns gemeint. Seit Wochen freuen wir uns über ungetrübten Sonnenschein. Regen ist zu einer exotischen Angelegenheit geworden, die in unserer Tagesplanung nicht mehr auftaucht. Auch wenn die Trockenheit für die Natur verheerende Folgen hat, habe ich natürlich die schönen Seiten dieses Sommers genossen. Alle genähten Sommerkleider wurden ausgiebig getragen, Hosen nur in Form von kurzen Shorts angezogen. Als dann die Temperaturen weiter kletterten, fiel mir aber doch eine schmerzhafte Lücke in meiner Garderobe auf: ich hätte so gerne ein dünnes, weitgeschnittenes Kleidchen aus irgendeinem Flatterstoff angezogen. Sonst mag ich ja gerne auch körperbetonte Kleidung und freue mich, wenn die Taille erkennbar ist. Aber bei 37° im Schatten mag ich an der Taille nichts mehr enges haben- ein weites Viscosekleid mußte her.

Ich gebe ja zu, daß ich zunächst versucht habe, so etwas noch zu kaufen. Aber ich habe wieder mal die Erfahrung gemacht, daß wir Selbernäherinnen in den üblichen Kleidergeschäften nicht fündig werden. Ich habe nun mal eine bestimmte Erwartung an Schnitt, Stoff und Qualität, und diese Wünsche werden mit der Kaufkleidung nicht erfüllt.

In dieser Phase entdeckte ich den neuen Schnitt von Grainline Studio, denFelix Dress. Ich wußte sofort, das würde mein fehlendes Sommerkleid werden. Der Schnitt ist aber auch zu schön: im Oberteil so eine Art Fake-Wickelkleid, als besser gesagt mehr Fake als Wickel, da nichts überlappt und die breite Ausschnittblende einfach assymmetrisch festgenäht wird. Raffiniert finde ich die Form, wie der Rock angesetzt wird: die Taillennaht im Vorderteil ist  nach oben gerundet, im Oberteil etwas mehr als im Rockteil. Der Rock wird beim Einsetzen ganz leicht angekraust oder besser gesagt eingehalten, um die Mehrweite zu verteilen.

Quelle: Grainline Studio

Ich habe so eine Schnittform noch nie gesehen und finde es sehr interessant, daß dadurch so ein schöner Faltenfall im Vorderteil erreicht wird. Das Vorderteil ist dadurch etwas kürzer als das Rückteil, also Vokuhila, aber eben nur sehr diskret.

Ein schöner Schnitt braucht einen schönen Stoff, und den fand ich in meinem gutsortierten hauseigenen Stofflager. Felix benötigt einen Stoff mit viel  „Drape“, also einer guten Fließeigenschaft, und das findet man eher bei Viscosestoffen. Ich habe eine buntgemustere Viscose gewählt, bei der sich rosa- und gelbfarbige Blüten auf einem mintfarbigen Untergrund tummeln. Der Stoff wartet schon länger auf seine Bestimmung. Gekauft habe ich ihn bei einem französischen Onlinestoffgeschäft, genaueres weiß ich leider nicht mehr. Wenn ich mich recht erinnere, war er mal für eine Bluse gedacht- wie schön, daß ich ihn dafür nicht genommen habe, denn jetzt wurde er zu meinem idealen Hochsommerkleid!

Das Felixkleid ist gefüttert, die Schnittanleitung auch so geschrieben. Natürlich kann man das Kleid auch ohne Futter nähen, ein schönes Beispiel dafür findet sichhier.

Aber irgendwie ist ja ein gefüttertes Kleid schon ein kompletteres Kleid, und es muß ja kein so ganz dickes Futter sein. Die üblichen Futterstoffe , die aus den bekannten Polydingensfasern bestehen, schieden sowieso aus, da schon der Gedanke an Polyester bei 35°  bei mir zu einem erneuten Schweißausbruch führte. Bei Grainline Pattern wurde ein Viscose-Futter empfohlen, was ich auch für eine gute Idee hielt. Leider gibt es Viskosefutterstoffe nicht an jeder Ecke…zum Glück war ich nach einem sehr nettenTelefongespräch mit einer Stoffhändlerin meines Vertrauens etwas klüger, und zwei Tage später erhielt ich ein Päckchen mit zwei möglichen Futterstoffen. Das Viscosefutter war schön, angenehm anzufassen, aber der andere Stoff war ein Traum: ein ganz zartes Stöffchen, aus Baumwolle und Seide. Die Temperaturen lagen auch an dem Tag, als das Päcken ankam, bei deutlich über 35°, deshalb war schon klar, welchen Stoff ich als Futter wählte, nämlich den zarten Seiden-Baumwollstoff. Ist es verwerflich, einen teuren Stoff als Futter zu nehmen? Ich finde eigentlich nicht-natürlich sieht man ihn normalerweise nicht von außen, aber ich habe ihn ja direkt auf der Haut, und das ist doch eigentlich viel wichtiger. Das Tragegefühl dieses Kleides ist jedenfalls unvergleichlich schön, es ist einfach eine Freude, sich dieses Kleid über zu ziehen.

Felix wird übrigens wirklich einfach übergezogen, das Kleid hat keinen Verschluss. Entsprechen „oversized“ ist auch die Paßform. Ich habe Größe 8 genäht, das paßt mir bei Grainline sonst immer ganz gut.

 Auch wenn die ersten Anproben vielversprechend waren, muß ich im nachhinein sagen, daß mir das Kleid etwas zu groß geraten ist. Vor allem der Ausschnitt ist sehr tief.  In der Freizeit stört mich das nicht, so wie hier auf unserer Fahrradtour durch den Kraichgau. Ich hatte morgens ja noch ein Top unter dem Kleid getragen, nachdem es mittags aber dann so warm wurde, habe ich das ausgezogen und mich in dem luftigen Kleidchen zwar etwas overdressed, aber sonst sehr wohl gefühlt.

Der Armausschnitt ist etwas zu tief. Das ist auch das einzige, was ich an dem Schnitt kritisieren kann. Das Schnittmuster enthält verschiedene Variationen, mit kurzen Flügelärmeln, mit dreiviertellangen Ärmeln und eben ärmellos, und alle Variationen haben den gleichen Armausschnitt. Das kann nicht gut gehen, für die ärmellose Version wäre es besser, den Schulterpunkt etwas nach innen und den Armausschnitt nach oben zu setzen.

Ansonsten ist der Schnitt, wie gewohnt von Grainline, technisch perfekt. Alles paßt gut zusammen, die Beschreibung ist mehr als ausführlich und sicher auch anfängertauglich. Schwierig fand ich eigentlich nur die Technik, die Mehrweite am Rock einzuhalten und eben nicht einzukräuseln. Irgendwie habe ich es hinbekommen, aber ich würde bei der nächsten Fassung lieber ein oder zwei Kräuselfäden einziehen, das ist keine große Mühe und würde zumindest mir das Nähen sehr erleichtern.

 Die Bilder sind an einem schönen sonnigen Tag auf einer Fahrradtour durch den Kraichgau entstanden. Morgens war es recht frisch, deshalb hatte ich noch ein Top unter das Kleid gezogen. Und das wird wahrscheinlich auch die Variante sein, in der ich das Kleid am meisten in der Öffentlichkeit tragen werde, um die allzu offenherzigen Einblicke durch Ausschnitt und Ärmellöcher zu verhindern.

Die Bilder entstanden vort dem wilden Apfelbaum, den wir im Frühjahr schon mal fotografiert haben. Damals war er von Blüten und Bienen übersät, ich übrigens im Joni-Dress. Auch wenn die Vegetation ringsum sichtbar ausgetrocknet ist, trägt der Baum überreichlich Früchte. Für mich ist das Werden eines Apfels jedes Jahr von neuem ein Wunder, dieses Jahr aber besonders, wenn ich an die brutale Hitze zwischendurch denke.

Außer Apfelbäumen gibt es im Kraichgau natürlich auch noch viele andere landschaftliche Besonderheiten. Interessant finde ich immer wieder die Hohlwege, tief eingeschnittene alte Wegverbindungen in den lockeren Lössboden. Hier findet man eine ganz eigene Vegetation, vor allem wenn es sich um wenig begangene Wege handelt. So einen hatten wir auf dieser Radtour entdeckt. Die Radtour wurde dann kurzfristig zur Schiebetour, aber die besondere Stimmung im Hohlweg war uns das wert.

Zum Radfahren ist das Felixkleid wunderbar geeignet, vor allem bei Hitze. Ich hatte ja etwas Sorge, ob der zarte Futterstoff irgenwann bei einer unbedachten Bewegung reissen könnte, aber das Kleid ist weit genug, daß das nicht passieren kann. Und auch die Tatsache, daß es am Ende der Radtour einmal komlett durchgeschwitzt war und verknittert von einem kurzen Mittagsschläfchen auf einer Wiese, machten dem Kleid nichts aus.  Deswegen kann ich diesen Schnitt guten Gewissens als einen idealen Sommerschnitt weiter empfehlen!

verlinkt: Sewlala, DufürDichamDonnerstag, AWS.

14 Kommentare

  1. rosa Sujuti sagt am 16. August 2018

    Ja, diesen Schnitt habe ich mir auch schon öfter angesehen, weil er interessant ist und ideal für heiße Sommertage ist. Und deine schöne Version begeistert mich.
    Ist doch wunderbar, wenn man ein Kleidungstück so hochwertig verarbeiten kann, wie du es gemacht hast; oftmals findet man ja gar nicht den optimalen Stoff, den man sich vorgestellt hat und muss Kompromisse eingehen.
    Gut, über die etwas zu große Armloch- und Ausschnitttiefe würde mich auch ein wenig ärgern, aber das schöne Gesamtergebnis lässt das leicht verschmerzen.
    LG von Susanne

    • Barbara sagt am 16. August 2018

      Liebe Susanne, vielen Dank für Deinen lieben Kommentar! Ich finde diesen Schnitt wirklich interessant, mir gefallen eigentlich die meisten Schnitte von Grainline. Den zu tiefen Armausschnitt hätte ich eigentlich selbst vor dem Zuschneiden bemerken müssen, aber durch ein Unterziehtop läßt sich das ja alles korrigieren.
      LG Barbara

  2. Nordendstück sagt am 16. August 2018

    Ein Traumstoff, ein Traumkleid, ich mag diesen Look sehr gerne. Bei deinen Fotos muss ich an die schreckliche Hitze denken, aber auf dem Land und dem Fahrrad ließ es sich ja aushalten. LG Anja

    • Barbara sagt am 16. August 2018

      Liebe Anja, danke für Dein Lob und Deinen Kommentar! Ja, die Hitze war teilweise schon brutal. Eigentlich mag ich ja Sommerwetter, aber wenn man gar nichts mehr machen kann und sich nur noch im verdunkelten Haus verbarrikadiert, hört der Spass irgenwann aus. Und für die Natur war das schon sehr, sehr schwierig dieses Jahr.
      Ganz liebe Grüße,Barbara

  3. Twill & Heftstich sagt am 16. August 2018

    Ich persönlich finde den Halsausschnitt gar nicht zu tief (anders als die Armlöcher). Ein wirklich schönes Sommerkleid, das gerade in Bewegung und/oder bei einem leichtem Luftzug toll fällt. Danke fürs Zeigen. LG Manuela

    • Barbara sagt am 16. August 2018

      Liebe Manuela, das kommt sicher auf die Gelegenheit an. In der Freizeit ist der Halsausschnitt sicher ok, meinen Mann haben die tiefen Einblicke jedenfalls nicht gestört 🙂 Aber in fremder Umgebung fühle ich mich mit einem Unterziehtop einfach sicherer, auch schon wegen den zu großen Armausschnitten. Muß ja nicht jeder sehen, welchen BH ich heute trage!
      Danke für Deinen Kommentar!
      LG Barbara
      LG Barbara

  4. formspielerins werke sagt am 16. August 2018

    Es ist ein schönes Kleid für heiße Tage, vom Schnitt, dem Stoffmuster und seiner Farbe her. Man kann es auch gut mit einem kurzärmeligen T-Shirt tragen. Die ungleiche Saumlänge ist mir nicht gleich aufgefallen, würde mich aber stören. Um so etwas zu produzieren, brauche ich keinen Schnitt zu kaufen. Da würde ich erwarten, dass es ausgereift ist. Oder soll man noch selbst abpüsteln, was ja eigentlich auch kein Problem wäre bei der Länge? Regina

    • Barbara sagt am 16. August 2018

      Liebe Regina, bei diesem Schnitt ist es sicher so gedacht, daß das Vorderteil ein klein wenig kürzer als das Rückteil ist, zumindest sehen die technischen Zeichnungen so aus. Ich fand bei dem Schnitt die gebogene Taillennaht so interessant, ich denke, dann fällt der Rock anders als bei einer schnurgeraden Taillennaht. Oder sehe ich das verkehrt?
      LG Barbara
      Lieben Dank für Deinen Kommentar!
      Barbara

    • formspielerins werke sagt am 17. August 2018

      Bei einem Stoff mit mehr Stand wie auf dem Produktbild würde ich es eher als Designelement verstehen, weil das Ausgestellte deutlicher zu sehen ist. Die rechtwinklig zum Saum stehenden Streifen machen dort klar, dass der Saum gerade sein soll, nicht wie bei einem Tellerrock gebogen. Das unterstreicht die A-Linie. Man könnte das hinten genauso machen, um Irritationen zu vermeiden.

  5. Fröbelina sagt am 16. August 2018

    Ein sehr schöner, runder Post! Hat richtig Spaß gemacht den zu lesen! Stoff und Schnitt finde ich sehr hübsch und seinen Gedanken zu gefütterten Kleidern stimme ich zu! Sommerkleider füttere ich trotzdem nicht mehr, das ist mir sonst einfach zu warm! Aber so ein tolles Futter wie du verwendet hast hatte ich auch noch nie!
    Liebe Grüße
    Katharina

    • Barbara sagt am 16. August 2018

      Liebe Katharina, vielen Dank, ich freue mich sehr, daß Du meinen Post gerne gelesen hast! Ich lese ja auch sehr gerne bei Dir. Ich habe das Kleid auch nur gefüttert, weil es in der Anleitung so stand, sonst hätte ich es wahrscheinlich auch nicht gemacht. Und so viel mehr Mühe ist es ja eigentlich nicht, dafür spart man sich die Nahtversäuberung, zumindest im oberen Bereich.
      LG Barbara

  6. Hach, die stoffe sind ja ein Traum… den schnitt finde ich auch spannend… mal bisschen anders! Die Lösung mit Top drunter ist doch sehr gut… tolles kleid! Lg Sarah

    • Barbara sagt am 19. August 2018

      Liebe Sarah, danke! Ja, der Schnitt ist wirklich etwas anders als die Schnitte, die ich sonst nähe. Aber ich fand es auch spannend, und das Ergebnis wird gerne getragen!
      LG Barbara

  7. Melanie sagt am 20. August 2018

    Das sieht richtig toll aus, das Kleid! Und ich finde es völlig okay, auch gute Stoffe fürs Futter zu nehmen – wie du schon sagst, haben wir Hobby-Schneiderinnen ja auch hohe Ansprüche an unsere Kleidung 😊! Schön, dass du damit bei Sew La La dabei bist! Liebe Grüße Melanie von The Flying Needle

Kommentare sind geschlossen.