Nein, dies ist definitv kein Herbstkleid, kleidungstechnisch passe ich damit durchaus nicht in die derzeitige Witterung. Aber dieser Schnitt mußte unbedingt noch genäht werden!
Die Entstehungsgeschichte dieses Kleides begann im Spätsommer. Für Anfang September hatte ich wieder einen Platz in einem Schnittkonstruktionskurs bei Peggy Morgenstern ergattert. Es war schon mein dritter Kurs bei Peggy, die ersten Kurse hatten sich mit der Konstruktion von Rock, Hose und Oberkörpergrundschnitt beschäftigt, hier hatte ich schon mal darüber berichtet. Diesmal sollte es um Etuikleider gehen.
Da wir passende Stoffe mitbringen sollten, hatte ich mir schon vorher Gedanken gemacht, was ich gerne nähen würde. Das war nicht schwierig, denn ich wußte schon lange, wie so ein Etuikleid für mich aussehen sollte. Aus Leinen, ärmellos für den Sommer, aber natürlich auch gefüttert für den schönen Fall des Kleides. Passenden Stoff fand ich hier, ein eher kräftiges Leinen mit einer schönen Oberflächenstruktur. Bei der Farbe hatte ich dann die Qual der Wahl, da es so viele schöne Farbtöne gab, und dieses blasse Blaugrün hat dann das Rennen gemacht.
Die Kurse bei Peggy laufen immer sehr strukturiert ab. Auch diesmal gab es zur Einführung einen theoretischen Exkurs über Etuikleider und vor allem die verschiedenen Formen der Teilungsnähte wie Prinzessnähte, Wiener Nähte und Flankennähte. Eigentlich alles sehr einleuchtend, jeder hat sicher schon mal die Diagramme gesehen, wie die Brust- und Taillen-Abnäher in einer Teilungsnaht verschwinden.
Aber dann ging es ans praktische Zeichnen. Wir Teilnehmer hatten ja alle einen angepassten Oberkörpergrundschnitt und standen nun vor der Aufgabe, daraus ein Kleid nach dem von uns gewünschten Entwurf zu konstruieren. Und was in der Theorie so einfach klingt, stellt einen vor ungeahnten Schwierigkeiten, wenn man dann vorm Schnittpapier steht…wo soll denn jetzt dieser Abnäher hin? welchen Schwung soll diese Naht bekommen? wie soll ich den Ausschnitt gestalten?
Zum Glück hatten wir Peggy, die mit ihrer gewohnten Geduld immer zwischen uns herpendelte und jedem helfend unter die Arme griff.
Mit war rasch klar, wie ich mein Kleid gestalten wollte. Im Vorderteil Wiener Nähte, ins Armloch ziehend, im Rücken Abnäher. Den Schulterabnäher im Rückenteil habe ich den Ausschnitt gedreht. Und natürlich einen kleinen Gehschlitz, um die nötige Beinfreiheit zum Laufen und Radfahren zu gewährleisten.
Nachdem der Schnitt gezeichnet war, wurde er aus Nessel probegenäht. Wie immer gab es hier beim Zuschneiden, Nähen und Bügeln viele kleine Tips von Peggy zwischendurch- unglaublich hilfreich für jemanden wie mich, der nie einen richtigen Nähkurs besucht hat.
Spannend waren dann die Anproben der Nesselmodelle. Wir waren vier Kursteilnehmerinnen, mit naturgemäß vier ganz verschiedenen Figuren und Anpassungsproblemen. Wie schön, daß Peggy für jedes Problem eine Lösung wußte! Die abgesteckten Änderungen am Modell wurden dann auf den Schnitt übertragen. Dann folgten natürlich noch die ergänzenden Arbeiten: es wurden auch Belege und Futter konstruiert, so daß wir mit einem kompletten Schnitt nach Hause fahren konnten..
Und diesen Schnitt mußte ich dann natürlich unbedingt und sofort nähen, ich war ja so neugierig, wie mein Etuikleid aussehen würde!
Eigentlich hatte ich mich auf diese Näharbeit ja unglaublich gefreut. Wann hat man schon mal den Luxus, daß man schon vor dem Nähen sich sicher sein kann, daß der Schnitt paßt? Ich nähe sonst fast nie Nesselmodelle und versuche eher, das nach den ersten Anproben irgendwie anzupassen.
Aber nun hatte ich einen fertigen Schnitt, einen passenden Stoff, Futter und Reißverschluss verkaufte mir gerne der lokale Stoff-Dealer.
Aber – ich hatte keine Lust mehr zum Nähen. Ich glaube, es lag am Wetter, das mittlerweile so herbstlich geworden war. Ich hatte keine Lust mehr auf ärmellose Kleider und Leinen, ich wollte langärmelige Schnitte und kuschelige Stoffe. Aber da es nicht meine Art ist, eine unvollendete Arbeit liegen zu lassen, habe ich mich durchgekämpft. Natürlich mit den üblichen Problemen einer ungeliebten Näharbeit, also viele Fehler, falsch zusammengenähte Teile, wieder auftrennen, das übliche Programm.
Über dem ganzen Ärger war ich aber doch froh, daß mein Schnitt eigentlich korrekt war. Alle zusammen gehörigen Nähte paßten auch zusammen. Wie gut erinnere ich mich da an manche Fertigschnitte, wo eben nicht zusammen paßt, was zusammengehört!
Der Ausschnitt hat eine etwas gebogen Form, ist also kein gerader V-Ausschnitt. Das sah im Nesselmodell sehr hübsch aus. Die endgültige Version finde ich nicht ganz so überzeugend, das mag aber auch an meinem doch eher kräftigen Stoff liegen. Der Ausschnitt steht ganz diskret ab.
Ganz gut gelungen finde ich den nahtverdeckten Reißverschluss im Rückenteil.
Mein Hauptproblem war letzendlich der Schlitz im Rückenteil, oder besser gesagt die Schlitzverarbeitung mit dem Futter.
Die Futterverarbeitung sonst war kein größeres Problem, und so zeige ich erstmal gerne die Innenansichten des Kleides:
Aber dieser Schlitz, der hat mich wirklich Nerven gekostet. Geplant war ein Schlitz mit Untertritt, dafür hatte ich eine Anleitung ohne Futter, die ich verstanden hatte, und eine Anleitung mit Futter, die ich nicht verstanden hatte. Schon beim Zuschneiden gelang es mir nicht, den Knoten im Gehirn aus Untertritt, Beleg und Nahtzugaben aufzulösen, und so klaffte nachher über dem Schlitz eine große Öffnung im Futter, wo ich zu weit ausgeschnitten hatte (ich hatte hier die Nahtzugabe vergessen)
Da ich das erst gemerkt hatte, als das Futter schon eingenäht hatte, habe ich mich zu einer unkonventionellen Reparaturmethode entschlossen und einfach einen „Flicken“ auf die Öffnung gesetzt- nicht schön, aber zweckmäßig.
Das Kleid ist insgesamt ziemlich genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt habe. Die Paßform ist gut, der Stoff schön und bis auf das Malheur mit dem Saumschlitz ist es mir auch ganz gut gelungen.
Trotzdem bin ich nicht ganz glücklich damit. Liegt es daran, daß es zu schlicht ist? Aber ich wollte es ja schlicht und klassisch, jetzt denke ich manchmal, daß es einfach langweilig ist…
Aber ich glaube, das Hauptproblem ist doch, daß es nicht mehr in die Jahreszeit paßt. Vermutlich werde ich es im nächsten Jahr im Mai wieder gerne aus dem Schrank holen und mich über mein schönes, schlichtes Sommerkleid freuen.
Aber soll es jetzt wirkllich bis zum nächsten Sommer im Schrank hängen? Da habe ich dann doch noch mal nach einem passenden Herbst-Styling geschaut, und siehe da, das kam dabei heraus:
Das Papercut-Wickeljäckchen paßt farblich gut dazu, und mit Schal und passenden Schuhen fühle ich mit jetzt doch auch bei der heutigen Witterung gut angezogen!
Alle anderen gut angezogenen Damen des Memademittwoch, egal ob Herbst- oder Sommerkleidung, findet man hier!
Wow, was für eine detaillierte Beschreibung über die Entstehungsgeschichte deines Kleides. Ich lese so etwas sehr gerne.
Dein Kleid ist sehr hübsch geworden. Gerade den Ausschnitt und das schlichte Design finde ich besonders. Auf dem letzten Foto gefällt mir das Styling (jetzt für den Herbst sehr gut) und für den Sommer kann ich es mir mit schönem Schmuck (lange Ketten) oder seidigen Tüchern gut vorstellen. Das mit dem Futterschlitz sieht und ahnt niemand. Du kannst stolz auf dein Werk sein.
LG
Astrid
Liebe Astrid, vielen Dank für Dein Lob! Ich habe die Farbe des Stoffes tatsächlich nach einer meiner Ketten ausgewählt, weil ich mir schon dachte, daß so ein schlichtes Kleid etwas Schmuck verträgt.
LG Barbara
Dein Kleid gefällt mir sehr gut, es sitzt wie angegossen und die Farbe steht Dir wunderbar. Wahrscheinlich ist die Zeit der Leinenkleider jetzt einfach vorbei und nächstes Frühjahr holst Du es erfreut aus dem Schrank!
Liebe Grüße, SaSa
Liebe Sasa, ganz lieben Dank! Ja, das ist ja oft das schönste am Jahreszeitenwchsel, daß man die vor einem halben Jahr genähten Teile aus dem Schrank holt und sie dann mit ganz anderen Augen auch sieht!
LG Barbara
Toll! Wenn man sich richtig reinkniet in die Materie, dann funktioniert das auch. So ein einfaches Kleid muss genäht werden, damit man sehen kann, ob alles stimmt. Darauf aufbauend kann man sich dann ja weitere Modelle überlegen. Der Armausschnitt ist wahrscheinlich original Grundschnitt? Ich meine, wenn man eine Trägeroptik haben möchte, sollte man den Träger mehr in die Mitte der Schulter legen. Wenn das nicht beabsichtigt war, fände ich den Halsausschnitt vielleicht etwas zu weit zur Seite gezogen. – Wie auch immer, ich finde es toll, dass du dich mit Konstruktion beschäftigst und würde mir wünschen, dass es noch mehr täten, damit ich besser fachsimpeln kann. Viele Grüße Regina
Liebe Regina, danke! Ich finde die Schnittkonstruktion ja schon interessant, aber es ist halt sehr zeitaufwendig. Andererseits lernt man ja auch so viel dabei, was man dann nachher auch bei Fertigschnitten gut anwenden kann.
Der Armausschnitt war an der Schulter etwas nach innen gelegt, und in der Achsel nach oben gezogen, also nicht mehr ganz Grundschnitt.
LG Barbara
Mir gefällt Dein Kleid sehr und auf die Eigenkonstruktion bin ich fast ein wenig neidisch…Mit großen Interesse habe ich Deinen Bericht gelesen und Lust bekommen, auch mal selbst so ein Stück perfekt passend zu konstruieren. Ich finde Material und Schnitt passen sehr gut zueinander und die Farbe wäre ja auch genau meine. Edel und schlicht – mehr braucht ein klassisches Etuikleid nicht. Und eine Winterversion aus Wollstoff mit ganz dünnem Shirt darunter kannst du Dir ja nun lässig noch nähen und eins aus gemustertem Stoff und ein kleines Schwarzes aus Satin und, und, und… Liebe Grüße von Ina
Liebe Ina, das ist wirklich die Tücke bei so einem schlichten Schnitt, daß mir auch gleich ganz viele Variationsmöglichkeiten für diesen Schnitt einfielen! Ja, Winterversion aus dünnem Wollstoff klingt auch sehr verlockend!
GAnz lieben Dank für Deinen Kommentar, und die Schnittkonstruktion kann ich nur empfehlen, das ist total spannend.
LG Barbara
Wahrscheinlich liegt es wirklich an diesem Wetter. Dein Kleid ist genial, den kleinen Bogen im Ausschnitt habe ich erst erkannt nachdem ich darüber gelesen habe. Er hätte noch größer sein können. Die Farbe gefällt mir auch ausnehmend gut. Aber ich kenne das Gefühl mit den schlichten Kleidern, die sind irgendwie nicht so spektakulär…. LG Anja
Liebe Anja, oh, das jemand mein Kleid genial finde, das freut mich aber sehr! Vielen Dank! Ja, spektakulär ist es vielleicht nicht, aber möglicherweise wird es gerade deshalb im nächsten Sommer viel getragen werden? Ich bin schon gespannt!
LG Barbara
Ein sehr spannender Post und ein wunderbares Kleid. Ich finde ganz und gar nicht, dass das Kleid langeweilig, es lässt Raum für drum herum. Strickjacke, kette, Tuch, Lippenstift, Brosche – da ist einfach alles möglich. Die Farbe finde ich ganz prima und eine elegenate Rettung beim Futter! Schlitz und Futter – hach da habe ich auch schon oft geflucht. LG Kuestensocke
Liebe Küstensocke, da bin ich ja richtig erleichtert, wenn auch so erfahrene Näherinnen wie Du diese Schlitz-Futter-Konstellation schwierig finden!
Schön, daß Du meinen Post gerne gelesen hast, und danke für Dein Lob!
LG Barbara
Gut, dass du es noch genäht hast, denn das Ergebnis spricht ja wohl für sich; ich finde das Kleid fantastisch an dir; es sitzt super und den Farbton finde ich auch sehrsehr schön.
Von langweilig keine Spur, sondern mit hübschen Details, schönem Stoff und Farbe.
Mit Accessoires lässt sich da ja auch noch einiges tun, bei Bedarf, wobei ich es ja sowieso gerne schlicht mag. Schon mit Jäckchen drüber wirkt es auch gleich wieder anders.
LG von Susanne
Liebe Susanne, vielen Dank für Deinen Kommentar und Dein Lob! Ja, die Kombination mit dem Jäckchen drüber hat mir auch gleich gefallen, da war ich richtig froh, daß der Kleiderschrank diesen Kombi-partner bereit hielt!
LG Barbara
Wow voll toll dein Kleid , von innen und von außen , und perfekt gearbeitet… so ein Kurs klingt richtig interessant würde ich auch mal gerne machen ich habe mir auch schon mal ein blaues Leinenkleid genäht das war auch gefüttert und eng anliegend und ich weiß wie toll es sich anfühlt beim Tragen viel Freude noch mit deinem Kleid lg Sarah
Liebe Sarah, vielen Dank! Das Lob mit dem perfekt gearbeitet geht mir natürlich runter wie Butter, wobei ich immer noch meine vielen Fehler sehe…Die Kurse bei Peggy Morgenstern kann ich wirklich nur empfehlen, sie machen total Spaß, und man lernt ganz viel dabei.
LG Barbara
Ich finde, dass dieses Kleid nach dem Grundschnitt sehr gut gelungen ist. Aus diesem Etui-Kleiderschnitt kannst Du noch viele weitere Kleider nähen und dabei Varianten ausprobieren.
Grüßle Bellana
Liebe Bellana, lieben Dank für Deinen Kommentar und Dein Lob! ja, das ist ja das schöne an diesen schlichten Schnitten, daß einem sofort ganhz viele Variationsmöglichkeiten einfallen!
LG Barbara
Ich finde ein Kleid sehr gelungen. Die Farbe von dem Stoff ist echt schön und der geschwungene Ausschnitt sieht wirklich super aus. Sitzen tut es auch wirklich toll. Vielleicht brauchst du einfach ein bisschen Abstand, gerade wenn beim Nähen was schief gelaufen ist brauche ich den zumindest wieder. Ich hoffe ihr findet noch zusammen du und das Kleid 🙂
Liebe Grüße
Katharina
Liebe Katharina, vielen Dank! Und Du hast völlig recht, Abstand brauche ich auch nach jedem Nähprojekt, gerade wenn es mich lange begleitet hat. Bei diesem Kleid bin ich mir ziemlich sicher, daß ich es im Sommer 2018 lieben werde!
LG Barbara
Hallo, ich melde mich nochmal bei dir. Das Interesse an einem Bloggertreffen in Ffm. ist irgendwie sehr dürftig. D. h. du bist die Einzige, die Interesse angemeldet hat. Ich will mir auch keinen Riesenorgaaufwand aufhalsen, weswegen ich keinen Button entwickele und noch mehr die Werbetrommel rühre. Werde ggf. noch ein, zwei, die ich kenne anmailen. Aber ich behalte den Termin auf jeden Fall für Jil Sander am Morgen und Stoffmarkt am Nachmittag bei, freue mich über Anschluss. LG Anja
Hallo,
tolles Kleid und ein toller Blog!
LG
Steffi
Abendkleider