Als ich meine erste Hose mit Gummizug in der Taille nähte, die Pietra Pants von Closet Core, machte ich mir noch Gedanken über diese Form der Bundgestaltung. Das berühmte Zitat von Karl Lagerfeld beschäftigte mich in meinem Blogbeitrag über die Pietrapants. Mittlerweile ist mehr als ein Jahr vergangen, ich habe verschieden Gummizughosen genäht und die Kontrolle über mein Leben nicht verloren. Außerdem habe ich mir sagen lassen, daß Karl Lagerfeld den Satz so nie gesagt hätte, zumindest gibt es keine sichere Quelle dafür.
Also, eine neue Gummizughose! Prinzipiell spricht ja auch nichts dagegen, sich durch dehnbare Materialien bei der Anpassung einer Hose helfen zu lassen. Die arme Hose muß ja auch so einiges mitmachen: sowohl beim Sitzen als auch im Stehen soll sie noch „bella figura“ machen, und das sowohl morgens, wenn der Bauch noch flach ist, als auch abends nach vielleicht einem Schlemmermenü.
Also, Gummizug ist eine gute Idee. Es gibt ganz, ganz viele Schnitte für Gummizughosen auf dem Schnittmustermarkt. Die meisten unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander…aber das ist ja überhaupt so, wenn man den Markt an neuen Schnittmustern betrachtet, das meiste war schon mal dagewesen. Wenn dann auch noch die Namen der Schnittmuster sich ähneln, wird es schon etwas schwierig…
Wie gut, daß Named Clothing finnische Namen für die Schnittmuster wählt, da komme ich etwas weniger durcheinander. Und die Aina Hose ist schon etwas besonderes. In diesem Fall ist der Gummizug nur im hinteren Bereich der Taille angesiedelt, nämlich zwischen den rückwärtigen Abnähern. Das ist sozusagen eine Minimalversion der Gummizugtaille. Die Pietra von Closet Core hat im gesamten Rückteil den Gummizug, die meisten anderen Schnitte im ganzen Bund. Aber da gibt es alle möglichen Variationen bei den Schnittdesignern.
Wenn der Gummizug nur hinten ist, ist das natürlich hübscher für die Vorderansicht, vor allem wenn die Vorderansicht die einer „normalen“ Hose ist. So ist das bei der Ainahose, die ist von vorne eine ganz normale Jeans mit Reißverschluss und Eingriffstaschen und hat eben nur hinten diesen kurzen Gummizug. Es gibt auch Schnittmuster, die haben vorne einen normalen Hosenreißverschluss und trotzdem einen Gummizug um den gesamten Umfang, so z.B. die DaniPants von True Bias (habe ich noch nicht genäht, stehen aber ganz oben auf der to-sew-Liste). Hier bräuchte man den Vorderreißverschluß eigentlich nicht, aber er macht sich halt gut für den Eindruck einer „richtigen“ Hose.
Die Aina hat noch eine weitere Besonderheit in der Taillenkonstruktion: der vordere Bund ist über die Seitennähte hinweg zu einer Lasche oder einem verlängerten Übertritt ausgezogen und wird am Rückenteil mit einem Knopf befestigt. Hier schlägt das Schnittmuster sogar zwei Knöpfe vor, um die Weite nochmals regulieren zu können. Ich habe mich mit einem Knopf begnügt, dazu aber später noch mehr.
Es gibt zwei Variationen von der Aina-Hose, einmal eine knöchellange Version mit eher geradem Bein, und eine Culotte. Ich hatte mich spontan in die Culotte verliebt, sobald ich die ersten Bilder dieses Modelles in den sozialen Medien von Named Pattern gesehen hatte. Diese Culotte wollte ich aus dem traumhaften Hanfstoff nähen, den Named Pattern auch vertreibt, aber vorher wollte ich die Hosenversion nähen, sozusagen als Testmodell, bevor ich den wertvollen Hanfstoff anschneide.
Der Plan war also ein tragbares Testmodell- nein, das ist natürlich nicht korrekt. Ich nähe höchst ungerne Testmodelle- erstens macht es überhaupt keinen Spaß, etwas zu nähen, was nachher nicht getragen wird, und ich finde ein Testmodell auch nicht immer so aufschlußreich. Ich weiß, daß insbesondere bei Hosen viele Näherinnen Testhosen nähen und dann akribisch die entstehenden Falten in Schnittänderungen umsetzen können- ich kann das nicht. Und ich mag auch nicht irgendetwas nähen, auch nicht aus einem billigen Stoff, was ich dann nachher wieder wegwerfe.
Meine Form der Hosenanpassung geht über die Änderung des Schnittmusters, also ich versuche schon vor dem Zuschnitt die erforderlichen Änderungen , die mein dreidimensionaler Körper erfordert, in die beiden Dimensionen des Schnittmusters umzusetzen. Ich muß Hosenschnittmuster immer ändern, meine Figur weicht von der Standardfigur um einiges ab. Wenn ich mich nur auf die Größentabelle meines Aina-Schnittmusters verlassen würde, hätte ich im Hüftbereich eine Gr 36 und in der Taille eine Gr 40. Das berühmte „Gradieren“, also die Verbindung der Schnittmusterlinien auf dem Mehrgrößenschnitt, kann nicht weiterhelfen, denn es geht ja nicht um gleichmäßige Änderungen des Umfanges, sondern um Erhebungen des Körpers, die mal mehr oder weniger ausgeprägt sind.
Ich habe die Gr 38 gewählt bei diesem Schnitt, habe dann ein „flat seat adjustment“ duchgeführt um die geringere Hüftweite zu erreichen und im Vorderteil ein „full tummy adjustment“, um auf die größere Taillenweite zu kommen. Ich bitte, diese Anglizismen zu entschuldigen, aber im deutschen Sprachraum sind diese segensreichen Änderungsmöglichkeiten noch nicht angekommen, ist mein Eindruck. Wir reden ja auch von der „FBA“, dem „full bust adjustment“, das viele Näherinnen kennen und anwenden. Genauso geht es auch im Unterkörperbereich, auch hier kann ich den zweidimensionalen Schnitt durch Linien trennen und auseinanderziehen oder zusammenschieben, um Weite und Länge an definierten Punkten zu schaffen oder zu verringern.
full tummy adjustment der Schnit wurde auseinandergezogen, um dem Bauch mehr Weite und Länge zu verschaffen
Ich kann und will hier keine genaue Anleitung dafür geben, dafür gibt es kompetentere Personen als mich. Es gibt dafür viele Tutorials, leider sind die alle englischsprachig und, so wie ich das sehe, oft auch kostenpflichtig. Ich habe viel aus den Artikeln der Zeitschrift Threads gelernt, aber auch im letzten Buch von Named Clothing „Building the Pattern“ gibt es viele Anleitungen , wie man einen Schnitt schon vor dem Zuschneiden anpaßt. Sehr informativ und kostenlos sind die Videos von Alexandra Morgan über die Hosenanpassung z.B. hier und hier.
Wenn ich einen Hosenschnitt auf diese Art angepaßt habe, bin ich mir sicher, daß er im Prinzip schon mal paßt. Deshalb habe ich in diesem Fall auch gewagt, schon für mein Testmodell einen sehr schönen Stoff zu verwenden, nämlich einen Baumwoll-Leinen Twill von Mindthemaker. Ursprünglich hatte ich gedacht, damit einen Kombipartner für meinen neuen rosa Blazer zu nähen- aber das rosa ist dann doch zu verschieden und paßt nicht. Aber die Farbe ist trotzdem sehr schön und mit vielem zu kombinieren, hier mit meiner Norma-Bluse aus Liberty.
Der Named-Papierschnitt ist sehr schön gemacht und auf stabilem Papier gedruckt, nicht auf diesem komischen dünnen Papier, wie die amerikanischen Schnitte. Abpausen muß man aber trotzdem, da Culotte- und Hosenmodell übereinander gedruckt sind. Der Schnitt enthält alle wichtigen Bezeichnungen, also auch Linien für Hüfte, Oberschenkel und Knie- das ist so segensreich, wenn man Änderungen durchführt.
Der Schnitt enthält auch eine Nahtzugabe. Ich weiß, daß das immer gerne gesehen wird- aber eigentlich ist es Blödsinn, denn ein Hosenschnitt muß meistens geändert werden. Und die Nahtzugabe von 1 cm ist mir eigentlich zu knapp- wenn ich eine Naht wie die Seitennaht erst mit der Overlock versäubere und dann nähe, ist das schon sehr eng.
Ich glaube, daß die pdf Version des Schnittes auch eine Version ohne Nahtzugabe enthält, da bin ich mir aber nicht ganz sicher. Die Anleitung ist völlig ausreichend, aber gewisse Nähkenntnisse werden wohl schon vorausgesetzt.
Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Die Paßform fand ich auf Anhieb sehr gut und habe nicht mehr viel geändert. Nach dem ersten Tragen habe ich dann gemerkt, daß der Stoff doch um einiges nachgibt. Einen Gürtel kann man bei diesem Schnitt nicht tragen, aber es gibt die Möglichkeit, doch noch einen zweiten Knopf anzunähen, wie es ja auch im Schnitt vorgesehen ist. Ich habe das bisher nicht gemacht, weil dann eine Falte in der Hose seitlich entsteht, aber wenn man etwas über dem Bund trägt, sieht man das sicher nicht. Jedenfalls ist dieser Knopf eine weitere einfache Möglichkeit, die Weite nachträglich zu korrigieren. Ein Knopf ist ja auch schnell versetzt (wenn es sich nicht um einen Jeansknopf handelt), und ich finde das eine sehr gute Idee, um die Taillenweite variabel zu gestalten.
Ach ja, und das Innenleben darf man nicht vergessen: wenn ich schon eine einfarbige Hose nähen, muß doch jedenfalls der Taschenbeutel aus einem geliebten Libertystoff sein. Natürlich drehe ich den Stoff so, daß ich beim An- und Ausziehen den bunten Stoff sehe. An solchen Kleinigkeiten kann ich mich unglaublich freuen.
Jetzt freue ich mich erst mal auf die Galerie der gut angezogenen Frauen des Memademittwoch!
Danke für die ausführliche Vorstellung des Schnittes. Die Hose sieht toll an dir aus. Ich habe ja schon mehrere Hosen auf Fotos an dir gesehen und finde, dass dieses Modell wirklich perfekt für dich ist.
LG
Carola
Liebe Carola, danke! Ich finde auch , daß diese Hose etwas besonderes ist und bin hier auf die Langzeit-Trageerfahrung sehr gespannt. Manchmal sind es ja so Kleinigkeiten, die einen davon abhalten, eine Hose gerne anzuziehen. Bei dieser Hose habe ich das noch nicht bemerkt.
LG Barbara
Die Hose ist in der Tat klasse geworden und sitzt sehr gut an dir!
Das Schnittmuster habe ich mir auch schon angeschaut, aber taillenhoch geschnittene Hosen sind nichts für mich.
Die Bundlösung finde ich sehr raffiniert; einen Gummizug nur im hinteren Bereich kenne ich noch von Kinderhosen; dort oft mit der Möglichkeit, durch innen sitzende Knöpfe den Gummi dem Wachstum anzupassen.
Übrigens habe ich figürlich das selbe „Problem“, wie du, und muss diesbezüglich auch immer anpassen, zusätzlich habe ich noch eine kurze Sitzhöhe, die ebenfalls Änderungen erfordert.
Testmodelle sind auch nicht mein Fall; zum einen kann ich mich bei einem Testmodell nicht disziplinieren, ordentlich zu arbeiten und zum anderen finde ich auch, dass bei Hosen der verwendete Stoff einen großen Einfluß auf Passform und Fall des Kleidungsstückes hat.
Sehr schön auch deine gesamte Kombination.
LG von Susanne
Liebe Susanne, da musste ich ja kurz schmunzeln bei Deinem Kommentar, ich dachte immer, ich wäre die einzige, die bei Probemodellen sofort schludrig näht! Ja, und der Stoff ist wirklich entscheidend, das macht so viel aus.
Danke für Deinen Kommentar und Dein Lob!
LG Barbara
Dankeschön für deinen informativen Blogpost. In vielen Dingen sprichst du mir aus dem Herzen. Sei es zum Thema Probemodell, zur Schnittmusteranpassung und auch zum Thema Gummizug.
Tolle Hose und ein stimmiges Gesamtoutfit, klasse.
Liebe Grüße Birgit
Liebe Birgit, vielen Dank! Wie schön, daß Du als Profi meinen Blogpost informativ fandest, ich fühle mich sehr geehrt!
LG Barbara
Diese Hose sitzt wirklich unglaublich gut! Und ich kann mich nur immer wiederholen – deine Outfits sind von Schnitt, Stoff und Passform her perfekt!
Liebe Grüße von Doro
Vielen Dank für diesen unglaublich bereichernden Beitrag. Sehr informativ und die Hose steht und sitzt perfekt. Was solche Anpassungen doch ausmachen und wie toll, dass man /frau dank selber nähens, solche Ergebnisse erzielen kann.
LG Miriam
Liebe Miriam, danke! Anpassungen an den Kleidungsstücken, die wir nähen, gehören dazu, sonst könnten wir ja gleich von der Stange kaufen. Außerdem finde ich es auch immmer spannend, an so einem Schnitt rumzubasteln. Ich freue mich, daß Du meinen Beitrag mit Interesse gelesen hast!
LG Barbara
Liebe Doro, danke! Auch wenn Du Dich wiederholst: ich höre es immer wieder gerne, daß Dir meine Outfits gefallen!
LG Barbara
Hach, Deine Blogbeiträge sind immer so wunderbar präzise und ausführlich. Danke, dass Du Dir immer so viel Mühe machst!
Die Hose ist mal wieder umwerfend. Perfekt von A – Z. Besonders schön wieder mal die Innenverarbeitung mit dem Blümchenstoff. Ich kann sehr gut verstehen, dass Du Dich so daran freuen kannst!
Viel Freude an Deiner Aina!
LG
Sandra
Liebe Sandra, danke schön! An den Blümchenstoffen komme ich einfach nicht vorbei…das hat sich wohl irgendwie zu meinem Markenzeichen entwickelt. Wie schön, daß Du gerne bei mir liest, ich freue mich!
Liebe Grüße
Barbara
Eine schöne Hose – bis ins letzte Detail! Was mir besonders gut gefällt: dass sie gar nicht nach einer Gummizug-Hose aussieht.
Viel Freude beim Tragen wünsche ich Dir!
Julia
Liebe Julia, danke! Ich denke, das ist die Kunst bei so einer Gummizughose, daß sie eben nicht nach Trainingshose aussieht. Named Pattern ist das mit diesem Schnitt absolut gelungen, finde ich.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
wieder so ein toll geschriebener Beitrag von Dir, das Lesen ist ein Genuss.
Danke für die Vorstellung dieses Schnitts mit all Deinen Ausführungen.
Deine Hose ist soooo schön, mit all den kleinen Details, die die Hose ausmachen. Mir gefallen an mir bisher auch nur Hosen mit einem Gummiband im Rücken, alles andere gefällt mir nicht wirklich.
Auch ich gehöre zur Fraktion der Probemodellnäher und nähe meine Kleidungsstücke gerne innen, wie auch außen sehr ordentlich. Wenn das Experiment gelingt, habe ich dann ein weiteres Kleidungsstück im Schrank.
LG
Sandra
Liebe Sandra, danke schön! Die Hosen mit dem Gummizug im Rücken sind meistens von vorne schöner- für den Sitz ist so ein rundum-Gummizug aber nicht so schlecht. Schau dir mal die DaniPants von True Bias an, die finde ich ausgesprochen schick, trotz rundum-Gummizug!
LG Barbara
Die raffinierte Bundlösung war mir bei Erscheinen der neuen Kollektion von Named Patterns gar nicht aufgefallen, besonders die Lasche/der Übertritt gefällt mir sehr. Eine tolle Hose, die Dir perfekt steht; wie überhaupt das ganze Outfit total Du bist! Und ich habe gerade erst gecheckt, dass Du auch in Frankfurt mit dabei bist. Freu mich darauf, Dich zu treffen. Liebe Grüße Manuela
Liebe Manula, ich freue mich auch sehr, Dich in Frankfurt zu treffen! Und dann führe ich Dir die Hose live vor (oder die entsprechende Culotte, die gerade auf dem Nähtisch liegt…)
Liebe Grüße und Danke
Barbara
Eine seht tolle Hose. Sieht sehr bequem aus.
Mit der Bluse kombiniert ein tolles Frühlingsoutfit.
Viele Grüße Elke
Liebe Elke, die Hose ist wirklich bequem. Sie hat so eine legere Form, die sich sehr gut trägt.
Liebe Grüße und Danke
Barbara
Sensationell ist Dein Outfit, da musst Du dir keine Gedanken um belle figura machen 😉 Die Hose ist klasse ich drücke die Daumen dass der SToff die Form behält. Die feinen Details innen und außen sind wunderschön und die Bluse dazu ganz großes Kino. LG Kuestensocke
Liebe Küstensocke, ich freue mich sehr, daß Dir mein Outfit gefällt!
LG Barbara
Eine wunderbar lässige Hose hast du dir genäht.
Deine Beiträge sind immer sehr informativ.
LG, Heike
Liebe Heike, danke! Ich freue mich, wenn Du gerne bei mir liest!
LG Barbara
Du siehst toll in der perfekt angepassten Hose aus!
Liebe Grüße,
SaSa
DAnke schön,liebe Sasa! Ich freue mich sehr, daß Dir meine Hose gefällt!
Liebe Grüße
Barbara