Heute zeige ich mal einen richtig alten Schnitt. Nein, keinen Schnitt aus den modisch so interessanten 20er, 30er oder 40 Jahren des letzten Jahrhunderts, keinen Vintageschnitt. Der Schnitt den ich heute zeige, das Petrouchka Top von Papercut Patterns ist gerade mal 6 Jahre alt, er ist im Jahr 2013 erschienen. Uralt in unseren schnelllebigen Zeiten! 2013 hieß das aktuelle iphone noch 5s, US Präsident Obama startete in seine zweite Amtszeit, Sewaholic hatte gerade den Hollyburn-Rock veröffentlicht, und Papercut Patterns eine Schnittkollektion mit dem Namen Covent Garden. Alle Schnitte dieser schönen Papercut-Kollektion hatten den Namen eines Balletts, so gibt es Coppelia, Sylphide, Peter und der Wolf, und eben das Top Petrouchka, das ich heute zeige.
Weil der Schnitt so alt ist, gibt es ihn nicht als PDF, das war damals wohl noch nicht so üblich. Es gab ihn als Papierschnitt, und den gibt es eben nicht mehr, da Papercut Patterns diesen Schnitt nicht mehr im Sortiment hat.
Daß ich ihn trotzdem nähen konnte, ist nur unserer wundervollen Näh- und Bloggergemeinschaft zu verdanken. PaislyPirouette zeigte ein wunderschönes Beispiel des Schnittes im Rahmen des Memademittwochs. Da mir der Schnitt bei PaislyPirouette so gut gefiel, kommentierte ich ihren Beitrag und erfuhr bei dieser Gelegenheit, wo es den Papierschnitt noch gibt, nämlich bei dem britischen Stoff- und Schnittmustervertrieb Sewbox.
So gelangte der Papierschnitt in meinen Besitz. Die Papierschnittmuster von Papercut sind übrigens wirklich sehenswert: auf festem Recyclingpapier gedruckt, werden sie in einem stabilen Karton geliefert. Der Karton bringt seinen Haken zum Aufhängen gleich mit, und auch die Schnittteile haben eine Lochung, damit man sie auf eine Stange aufhängen kann. Der Bindfaden dazu liegt auch im Päckchen…da kommt wirklich kein noch so praktisches PDF mit!
Ich habe den Schnitt in meiner Größe ausgeschnitten, wie ich das bei einfachen Schnitten, die ich nicht groß bearbeiten oder anpaßen will, immer mache- Bequemlichkeit und so. Im Nachhinein bedaure ich das, denn der Schnitt ist wirklich schön, erschließt sein Potential aber nicht gleich.
Petoruchka ist ein T-Shirtschnitt mit Raglanärmeln und einem Peblum, einem Schößchen. Das Vorderteil ist kürzer und die Ansatzlinie des Schößchens nach oben gebogen, im Rückenteil ist die Verbindungsnaht zwischen Oberteil und Peblum gerade. Das Oberteil ist weit, sehr weit. Das ist wohl auch ein Problem des Schnittes und vielleicht auch der Grund, warum Petrouchka aus dem Sortiment genommen wurde, die Gradierung ist vielleicht nicht ganz optimal. In den meisten Schnittbesprechungen liest man, daß der Schnitt zu groß ausfällt. Ich habe die Größe XS genäht, von meinen Maßen her hätte ich eher eine S oder M nähen sollen, aber ich habe den Schnitt ausgemessen und mich für die kleinere Größe entschieden.
Der Schnitt ist immer noch etwas weit im Brustbereich, aber mittlerweile glaube ich, daß das der Witz des Schnittes ist: es soll einen Kontrast geben zwischen dem überweiten Oberteil, das etwas blusig fallen soll, der engen Taille, die sich dann wieder zu dem sehr weiten Peblum öffnet. Und die gerundete Ansatznaht des Peblums unterstreicht diesen Effekt wunderschön.
Das Peblum soll eigentlich gedoppelt werden, sehr sinnvoll, damit man die eventuell weiße Unterseite des Jerseys nicht sieht. Ich habe das nicht gemacht und das Schößchen in einfacher Lage genäht, da ich nicht genug Stoff hatte.
Meine erste Version ist aus einem Liberty-Viscosejersey. Diesen Stoff halte ich für ideal für diesen Schnitt, denn er hat einen wunderschönen Fall. Da es den Stoff nicht mehr gibt, nenne ich auch keine Bezugsquelle.
Der Jersey ist etwas dicker als die anderen Liberty-Jerseys, die ich schon vernäht habe, nannte sich glaube ich auch Winterjersey. Warm ist er nicht gerade, aber fällt wie gesagt ganz weich, und mir gefällt das sehr gut bei diesem Schnitt.
Auf der Wanderung, als diese Bilder entstanden, trug ich zu dem Shirt ein Jäckchen nach einem Schnitt aus der gleichen Kollektion, Coppelia von Papercutpatterns. Coppelia (übrigens ein Ballett von Leo Delibes, kannte ich vorher auch nicht) ist ein hübscher Wickeljackenschnitt, ebenfalls mit Raglanärmeln und paßte daher so gut über das Shirt. Dieses Jäckchen, genäht aus einem Rippstrick von Lillestoff, trage ich eigentlich ganz gerne- es hat nur das Problem, daß die Bändel, die man sich um den Leib schlingt, sehr lang sind- beim An- und Ausziehen schleifen sie immer irgendwann auf dem Boden- muß man akzeptieren bei dieser Jacke.
Der Rock ist ein Jerseyrock nach einem Knipschnitt, hier schon mal gezeigt und besprochen.
Und weil der Schnitt so gut gefiel, entstand direkt danach noch eine zweite Version, so nach dem Motto: wenn der Schnitt schon mal auf dem Nähtisch liegt, soll sich das ganze ja auch rentieren, bevor ich ihn wegsortiere…Meine zweite Version ist aus einem festen Baumwolljersey von Art Gallery. Ich hatte ja erst Bedenken, ob Schnitt und Stoff so gut zueinander passen würden, aber ich wollte unbedingt den Jersey verarbeiten, der mich schon so lange von meinem Stoffstapel aus anlachte.
Auch in diesem Fall habe ich das Peblum einfach verarbeitet, und es ging ohne Probleme, man sieht die helle Innenseite nicht beim Tragen. Das Peblum fällt erwartungsgemäß völlig anders, steifer – aber auch schön! Störend finde ich bei dieser Version nur, daß die Mehrweite im Oberteil hier wirklich feste Falten schlägt und zu groß erscheint.
Ich mag auch diese Version des Schnittes gerne. Beide Shirts trage ich auch gerne zu Jeans, wobei sie mir zu einem engen Rock besser gefallen. Wenn ich sie zu Hosen trage, habe ich immer das Gefühl, daß der Schitt dafür zu kurz ist. Vielleicht nähe ich noch eine Hosenversion, die etwas verlängert ist?
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