
Es gibt Schnittmuster, die werden in der Nähszene, in der ich mich bewege, sehr häufig genäht. Das erweckt in mir leicht den Eindruck, das „müsse man genäht haben“…das ist natürlich Blödsinn, keine von uns muß etwas nähen, wir machen das ja alles freiwillig. Aber interessant ist es schon, so ein Schnittmuster, das so oft genäht wird. Ist es das geschickte Marketing, die inspirierende Designerin oder am Ende doch die Qualität des Schnittes, die dafür verantwortlich ist, wenn so ein Schnitt rauf und runter genäht wird?

Bei der Olya Bluse von Paper Theory trifft sicher von all diesem etwas zu. Der Schnitt ist schon genial, und da die Feinheiten in meiner geblümten Version überhaupt nicht erkennbar sind, hier die technische Zeichnung:

Olya ist eine Bluse im klassischen Hemdblusenstil mit Kragen, einer Schulterpasse im vorder- und Rückenteil und Manschettenärmeln. Das Besondere ist, daß die Ärmel an die vordere Passe angeschnitten sind. Das ergibt ein ganz witzig geformtes Schnittteil, das ich zunächst etwas ratlos hin und hergedreht hatte, bis sich mir die Funktion erschloss. Die Naht, die den angeschnittenen Ärmel letztendlich schließt, wird in der Naht zwischen Passe und Oberteil fortgeführt. In diese Naht können zwei Brusttaschen eingearbeitet werden- ein witziges Designelement bei transparenten Stoffen, die Funktion der Brusttaschen erschliesst sich mir nicht. Ich habe sie weggelassen.Zwischen dem Vorderteil/Ärmel und rückwärtiger Passe ist ein Anschluss, bei dem eine Naht im rechten Winkel abknickend genäht werden muß, das ist eigentlich die einzige Schwierigkeit bei diesem Schnitt. Es gibt eine sehr gute Anleitung mit Grafiken zu diesem Schnitt, außerdem einen ausführlichen Sewalong auf der Website der Designerin. Wer noch nie einen Hemdblusenkragen oder Ärmelmanschetten genäht hat, wird hier sehr gut durch alle Schritte geführt.

Die Olya Bluse ist oversized geschnitten. Das wußte ich, wurde auch in den vielen Beispielen von Olya, die man im Netz sieht, immer wieder bestätigt. Ich habe daher eine Größe kleiner gewählt als ich sie von der Größentabelle her gebraucht hätte. Dies ist die Größe 8, die zweitkleinste Größe. Mit der Größenwahl bin ich sehr zufrieden: die Bluse hat genau das richtige Maß an Mehrweite, das mir zur Zeit gut an mir gefällt.
Nicht ganz so zufrieden war ich mit dem Sitz des Kragens: wie so oft fand ich den Kragen zu hoch oder zu eng an mit. Wobei er eigentlich gar nicht zu eng war, ich hätte ihn schon zugeknöpft bekommen, wenn ich denn ein Knopfloch und Knopf auf den Steg genäht hätte. Aber die Bluse hat eine starke Tendenz, über die Schulter nach hinten zu rutschen, da konnte ich mir die hochgeschlossene Version gar nicht vorstellen.
Die Schulternaht dieser ersten Version lag deutlich hinter meiner anatomischen Schulter. Das ist sicher teilweise das Design, das das so möchte, liegt aber auch an meinen nach vorne gedrehten Schulter. Ich brauche bei vielen Schnitten ein „forward shoulder adjustment“, eine relativ einfache Änderung des Schnittmusters, bei der man am Vorderteil einen Streifen der Schulter entfernt und diesen am Rückteil wieder dran fügt. Es gibt dafür viele Anleitungen im Netz, ich verlinke hier mal eine, die das ganze sehr ausführlich behandelt.

Letztendlich ist es ja immer Jammern auf hohem Niveau, wenn man sich über solche Feinheiten an einem genähten Stück grämt. Tatsache ist, daß ich diese Bluse unmittelbar nach ihrer Fertigstellung angezogen habe und dann nicht mehr freiwillig ausgezogen habe (doch, nachts natürlich dann doch:-)) Das lag sicher auch an dem hübschen Stoff, einem Baumwoll-Satin von Hello Heidi. Ich hatte diese Qualität schon mal vernäht und bin immer noch sehr begeistert davon. Der Stoff wirkt, wenn er aus dem Päckchen kommt, etwas steif, wird aber nach der ersten Wäsche butterweich. Die Verarbeitung ist eine Freude, grade so Dinge wie Kragen oder Manschetten gelingen problemlos.
Er knittert wenig, aber wenn man ein Sweatshirt und darüber noch eine Bauchtasche trägt, entstehen einfach Tragefalten. Das soll so!

Der Sweater ist nach dem Schnitt Capitol von Cosylittleworld genäht, das ist zur Zeit mein Lieblings-Sweatshirtschnitt, da er für mich genau das richtige Mass an Oversize aufweist.
Die Bauchtasche ist sicher vielen bekannt- der Schnitt heißt Rikka und ist von Hansedelli. Immer wieder schön, zwischendurch mal eine Tasche zu nähen, und diese wurde dringend benötigt. Bei Hundespaziergängen benötigt man so einiges, Leckerli, Kotbeutel, Leine…und die Hände sollen ja frei bleiben, damit man den Kleinen ausgiebig beschmusen kann.

Da ich die Olyabluse wie gesagt so gerne und viel getragen habe, lag es nahe, ein weiteres Exemplar zu nähen. Außerdem wollte ich wissen, ob ich die Schulternahtverlagerung so machen konnte, wie ich es mir vorgestellt habe. Beim Olya-Schnitt ist ja durch den angeschnittenen Ärmel manches anders.
Im hiesigen Nähgeschäft fand ich einen Double Gauze, der sich gut für eine weitere Olya eignete. Der Schnitt ist also etwas geändert, die Schulternaht um ca 1 cm nach vorne verlagert und etwas gedreht.

Außerdem habe ich den Kragenausschnitt etwas erweitert und den Kragen samt Steg natülrich auch, so daß er in etwa der Größe 10 entspricht.

Wie man sieht, ist der Sitz deutlich besser-nein, man sieht es natürlich nicht, aber das Gefühl beim Anziehen und Tragen ist so, daß ich mit der Bluse jetzt rundum zufrieden bin. Die Schulternaht liegt immer noch etwas hinter meiner anatomischen Schulter, aber das entspricht dem Design.

Das Nähen der Olyabluse ist übrigens eine recht zügige Angelegenheit, wenn der Anfang mal gemacht ist. Man beginnt mit dem Ärmelschlitz, der als Kapellenschlitz gearbeitet wird. Wenn diese erste Nähchallenge dann gemeistert ist, kann man sich entspannt dem weiteren Nähprozess zuwenden. Das Einsetzen der Ärmel spart man sich, das finde ich sehr angenehm. Ärmeleinsetzen finde ich beim ersten Ärmel immer noch ganz spannend, da bin ich hoch motiviert, aber beim zweiten läßt die Motivation dann deutlich nach, und dann sollen die beiden Ärmel ja auch noch identisch sein…nein, dann lieber ein Schnitt wie Olya, bei der der Ärmel angeschnitten ist.

So, soweit mein Outfit, in dem ich bei den zahlreichen Hundespaziergängen mit meinem Junghund Caspar unterwegs bin! Caspar und ich freuen uns jetzt auf wärmere Frühlingstage. Ich bin gespannt auf die heutige Galerie des Memademittwoch– werden schon Sommer-Outfits gezeigt, oder sind meine Mitnäherinnen vernünftig und zeigen dem Wetter angepaßte warme Kleidung? Ina zeigt heute ein traumhaftes Frühlingsoutfit, fröstelt aber auch darin…
